Programm 2021

„HIMMLISCHE VERSUCHUNG“

Jede Versuchung beginnt mit dem Probieren, dem Verkosten, Schmecken und Riechen, kann aber im biblischen Sinne auch „zum Bösen anfechten“ oder Verführen gedeutet werden. Ob aus dem Versuch eine Verführung oder Versuchung zum Guten oder Bösen wird bleibt zu Beginn stets offen. Die biblischen Texte aus dem „Hohelied der Liebe“ stehen für jene Zweideutigkeit.

Diese Zeilen der Bibel lösten über Jahrhunderte Diskussionen in der Kirche aus. Werden hier erotische Gedanken oder das Verhältnis zwischen Gott und seinem geliebten Volk Israel dargestellt? Gerade die Vielschichtigkeit hat zum Erfolg dieses Textes über die Jahrhunderte beigetragen. Kombiniert mit Volksliedern und weltlichen Dichtungen bietet das Konzert Vertonungen, die diese Texte himmlischer Verführung in Töne gesetzt haben. Die Zuhörer sollen mit diesem Programm „verführt“ werden, den Genüssen der Musik zu folgen, sich hinzugeben und zu genießen. Gleichzeitig bekommen Geist und Verstand Gelegenheit, der schwelgerischen Versuchung zu widerstehen und werden von Text und Programmkonzeption aufgefordert, eigene Positionen zu entwickeln.

Detaillierte Programmeinführung:

Die Hohelied-Vertonungen von Lechner, Palestrina und Franck überraschen immer wieder mit engen Stimmführungen, die der Musik eine gewisse Unruhe, aber auch rhythmische Raffinesse verleihen. Unmittelbar aus dem Text entwickelten die Zeitgenossen von Claudio Monteverdi eine Fülle bildhafter Wendungen. Diese musikalische Bildhaftigkeit erreicht einen Höhepunkt der erotischen Beschreibungen, indem Leonhard Lechner den Textfluss für Augenblicke anhält, um die „herzenden“ Bewegungen umso vielsagender anzudeuten (Nr. 5 seiner Sammlung).

Verwoben in diesem etymologisch weiten Wortnetz hat der lateinamerikanische Bischof und Befreiungstheologe Pedro Casaldáliga aus dem Motiv das Gedicht Du hast mich verführt Herr gemacht. Das Gedicht wird als Chorimprovisation im Mittelteil des Konzertes erklingen. Die psalmgleichen Strophen verdeutlichen, dass sich die Verführung des Geistes und des Fleisches durch ein ganzes Menschenleben zieht und wir uns immer wieder entscheiden müssen,  Versuchung zuzulassen oder zu widerstehen.

Pfingsten ist ein christliches Fest, an dem die Gläubigen die Sendung des Geistes Gottes zu den Jüngern Jesu und seine bleibende Gegenwart in der Kirche erfahren. Auch diese Thematik wird in der bildlichen Sprache der Liebe ausgedeutet. Bach komponiert in seiner Kantate BWV 172 kunstvoll in Satz 5 ein Duett von Seele (Sopran) und Heiliger Geist (Alt), welches durch ein instrumentales Zitat von Martin Luthers Choral „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ untermalt wird. So spricht die Seele: „Liebste Liebe, die so süße, aller Wollust Überfluss“ und der Heilig Geist antwortet: „Nimm von mir den Gnadenkuss.“ Der Eingangschor ist ein festlicher Konzertsatz, dessen Worte und Musik möglicherweise auf einer früheren, verschollenen weltlichen Glückwunschkantate basieren.

Brahms Schicksalslied basiert auf Hölderlins Gedicht „Hyperions Schicksalslied.“. Der schicksallosen Ruhe und seligen Heiterkeit der Götterwelt wird das Leiden des menschlichen Daseins gegenübergestellt. So wie Hölderlin in seinem Roman nicht an dieser Stelle der Hoffnungslosigkeit verharrte, so zeigt uns auch Brahms in seinem Werk ein tröstliches Ende auf: Gleich Hyperion strebt die Musik eine neue Gemeinschaft an, die Einheit mit der göttlichen Natur.

Konzertprogramm 2021

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten! BWV 172

Leonhard Lechner (c.1553-1606)
Nr. 5 „Ich bin ein Blumen zu Saron“ aus „Das erst und ander Kapitel des Hohenliedes Salomonis“ für vierstimmigen Chor

Andreas Hammerschmidt (ca.1611–1675)
Die Kunst des Küssens (Paul Fleming 1609-1640)

Melchior Franck (c.1580-1639)
Du bist aller Dinge schön“ No. 19 aus: Geistliche Gesäng und Melodeyen

Johannes Brahms (1833-1897)
All meine Herzgedanken, Volkslied für sechsstimmigen Chor aus „Sieben Lieder op. 62

Improvisation zu „Du hast mich verführt Herr“ von Casaldáliga

Johannes Brahms (1833-1897)
Schicksalslied op .54 in einer Bearbeitung für Kammerorchester

Singspiel 2021

„Emma und der blaue Dschinn“ nach dem Kinderbuch von Cornelia Funke
Text: Beate Seidel
Musik: Friedemann Hasse

Das Mädchen Emmas hat einen besten Freund – ihren Hund Tristan. Eines Nachts findet Tristan am Strand eine Flasche, die mit einem Korken verschlossen ist. Als sie den Korken herauszieht, steigt plötzlich eine Rauchsäule empor und ein Flaschengeist entweicht. Er heißt Karim- der Blaue Dschinn und ist von einer großen Traurigkeit befallen, da er keine Wünsche mehr erfüllen kann, seit ihm der heimtückischste aller Gelben Dschinns seinen Nasenring gestohlen hat. So machen sich Emma und Tristan mit dem Flaschengeist auf die Reise ins Morgenland – auf einem fliegenden Teppich! Das ist der Beginn aufregender Abenteuer und eine Geschichte von wahrer Freundschaft.